mit Rechten reden – ein Leitfaden
Leo / Steinbeis / ZornKlett-Cotta 2017
ISBN 978-3-608-96181-2
183 Seiten, € 14,00

Gleich zu Beginn räumen die drei Autoren mit einer Illusion auf. Ihr Leitfaden – im Sinne eines Ratgebers How-to-do-it – ist gar keiner. Sie wollen keine Ratschläge geben und wenden sich auch nicht an eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise an Menschen, die sich selbst als Linke bezeichnen. Sie haben nicht den Anspruch, zu erklären, wie „man mit Rechten reden muss“, sondern sie analysieren zunächst das sogenannte Sprachspiel der Rechten. Damit bezeichnen sie eine bestimmte Art zu reden. Bei näherem Hinsehen sei „rechts“ keine eingrenzbare Menge von Überzeugungen, sondern eine reaktive Rede gegen die liberale, demokratische Öffentlichkeit, die sich in der Krise befinde.

Das Sprachspiel der Rechten besteht hauptsächlich aus Provokationen, Brechen von Tabus, unbelegten Behauptungen und kalkulierten Lügen. Sie setzen auf die darauf folgende erwartbare moralische Empörung der von ihnen verachteten Gutmenschen, die sie nutzen, um den gesellschaftlichen Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben. Zu dieser Strategie gehört auch die ständige Polarisierung rechts – links: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! eine beliebte Zuspitzung aller autoritären Regime. Um diese Falle in der inhaltlichen Auseinandersetzung zu umgehen, bezeichnen sich die Autoren konsequenterweise als Nicht-Rechte. Damit wird die Trennlinie zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten für mich tatsächlich deutlicher.

Eine wichtige Voraussetzung dafür, in einen produktiven Dialog zu kommen, sehen die Autoren in einem  selbstkritischen Hinterfragen einer moralischen Haltung, die oft in dem Gewand der Überheblichkeit und des nicht verstehen Wollens daherkommt. In einem Abschnitt des Buches – das seine Inhalte in verschiedenen literarischen Formen vermittelt – wird die politische Situation in Form eines fantastischen Theaterstückes beschrieben. Alle politischen Akteure, Mehrheiten, Minderheiten, Demokratiefans und -verweigerer sowie das Publikum gestalten zusammen das Geschehen auf der Bühne. Ein großes Vergnügen für mich, die wirklich brennenden Fragen an unser Gemeinwesen in dieser gleichzeitig abstrakten und sehr konkreten Weise vor Augen geführt zu bekommen. Die „Linke“ beispielsweise hat ihren Spiegel verhängt und durch ein riesiges ideales Selbstportrait ersetzt. Die „Rechte“ erkennt die Schwachstellen in diesem Selbstbild, die Widersprüche, die Leerstellen, die Störanfälligkeit und die erwartbaren Reaktionen auf rechte Provokationen. Vor allem die Bereitschaft ihrer „Feinde“, mit verbaler oder realer Gewalt zu reagieren, nutzen Rechte für ihre Inszenierung als Opfer. Mit zunehmender Lust an der Rolle des Täters, des gerechtfertigten Rächers. Gerade diese Selbstdarstellung, die ständig zwischen Opfer und Täter hin und her wechselt, verhilft ihnen zu Sympathien von Menschen, die sich mit einem dieser Aspekte oder sogar beiden identifizieren können.

Im Dialog heißt es, Annahmen, Vermutungen und Bewertungen in der Schwebe zu halten. Bis sie einer – möglichst immer wieder erfolgenden – Überprüfung standhalten. Vielleicht wäre dieses ein Weg mit „Rechten“ ins Gespräch zu kommen: Nach Belegen für die aufgestellten Behauptungen zu fragen. Und nach den Konsequenzen einer Haltung, die auf Ausgrenzung, Abwertung und Verachtung von Menschen setzt. Die die kollektive Kraft der Selbstermächtigung als Rezept gegen Angst und Wut beschwört. Die ihr HEIL in einer nationalen Volksgemeinschaft, einer Leitkultur sieht, zu der alle „Fremden“ ausdrücklich nicht gehören.

Was lerne ich daraus? Im Kontakt mit Menschen, die erkennbar dieser Haltung anhängen, möchte ich eine fragende Zuwendung entwickeln. Statt eine moralisch aufwallende Empörung zu zeigen, die ein echtes Gespräch unmöglich macht. Im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation möchte ich lieber auf die Appelle hinter den Worten hören. Die Schattenseiten der Globalisierung, die rücksichtslose Ver- und Entwertung von Menschenleben und Naturressourcen im Kapitalismus – all dies macht mir auch Angst und lässt mich manchmal verzweifeln. Ich verstehe mich allerdings als Weltbürger, Europäer und Rheinländer (von Geburt), in dieser Reihenfolge. Das reicht für eine „Identität“ und führt mich zu anderen Antworten. Und mein Gegenüber kann diese Antworten vielleicht besser aufnehmen, wenn ich es schaffe, respektvoll zuzuhören.

# Jens Kotulla, Mannheim 16.01.18

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